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No-Code oder Low-Code-Plattformen – das „Schweizer Taschenmesser“ für die Entwicklung von LegalTech Applikationen?

Während der letzten Monate hat im deutschsprachigen Legal-Tech Markt besonders eine Applikation überdurchschnittliches Interesse hervorgerufen: die „No-Code“-Plattform „BRYTER„.

Es vergeht fast keine Woche, in welcher auf LinkedIn oder Twitter nicht Beiträge über einen „Hackathon“ zu lesen sind, in welchen unter Verwendung von der genannten Applikation von Anwältinnen oder Anwälten (aller Hierarchiestufen) einer Kanzlei oder Rechtsabteilung Softwarelösungen zum Beispiel für die Einschätzungen bei einer „Arbeitnehmerüberlassung“ oder einer „Geheimniswahrung“ an einem Tag entwickelt werden.

Unter den veranstaltenden Kanzleien sind sowohl große Einheiten wie Freshfields oder Ashurst aber auch Spezialkanzleien wie Kliemt. Auch auf dem diesjährigen Anwaltszukunftskongress in Köln wurde in den Vorträgen häufiger diese Plattformlösung im Kontext mit beginnenden LegalTech-Umsetzungen bei verschiedenen Organisationseinheiten erwähnt.

Was macht diese Anwendung so besonders, dass sie von so vielen Kanzleien und auch Rechtsabteilungen derzeit intensiv evaluiert und teilweise auch  schon produktiv eingesetzt wird?
 

Was sind "No-Code" / "Low-Code" Plattformen?

Bei „BRYTER“ handelt es sich um eine sogenannte  „No-Code“-Plattform, mit welcher regelbasierte Workflow-Anwendungen ohne  Verwendung spezieller Programmiersprachen wie zum Beispiel Javascript,  Python oder C# umgesetzt werden können (Ein gutes Erklärvideo, was ein Worklflow ist, finden Sie bei youtube hier

Des weiteren sind bei der Entwicklung von Applikationen keinerlei Programmierkenntnisse bezüglich der Umsetzung von Datenbankabfragen oder Sicherheitsmechanismen notwendig, da diese Bereiche von der Plattform automatisch zur Verfügung gestellt werden.

Da die „Entwicklung“ mittels eines grafischen Editors erfolgt, in welchem die einzelnen Schritte eines Prozesses durch Verkettung unterschiedlicher Symbole „zusammengefügt werden„, können diese Arbeiten auch ohne Kenntnisse einer „normalen“ Programmiersprache durchgeführt werden. Für die ersten „Schritte als Entwickler“ für BRYTER-Apps genügen meist eine kurze Erläuterung der Benutzeroberfläche. „Zusammengebaute“ Workflows können vom Autor mit einem Klick sofort getestet werden. Die Einbindung von (externen) Entwicklungsteams kann größtenteils entfallen.

Vorteile von "No-Code" / "LOW-Code"

Die Idee der Programmentwicklung ohne Nutzung von „klassischen“  Programmiersprachen unter Verwendung graphischer Benutzeroberflächen ist jedoch nicht neu, sondern wird  außerhalb des  Rechtsmarktes in anderen Branchen schon seit einigen Jahren praktiziert.  Warum also das besondere Interesse für Bryter in letzter Zeit?
 
Zum einen erfährt die Technologie der „No-Code“ Plattformen auch in anderen Märkten seit Jahren zunehmende Relevanz, Anbieter wie Mendix oder Outsystems werden auch in so technologieaffienen Branchen wie  der Luftfahrtindustrie oder im Maschinenbau genutzt, um dort in vielen Geschäftsbereichen Softwarelösungen – neben Applikationen, die „klassisch“ programmiert wurden- umzusetzen.
 
Nach vielfach vorgetragenen Meinungen verkürzt sich bei Nutzung von No-Code/Low-Code Lösungen die durchschnittliche Entwicklungszeit  von standardisierten Applikationen um mehr als ein Drittel im Vergleich zur  Implementierung einer entsprechenden Anwendung mit klassischen  Programmierwerkzeugen. 
 
Insbesondere die Reduzierung von  Entwicklungsaufwänden für die Umsetzung von Sicherheitsfunktionalitäten und die einfache Anpassbarkeit der entwickelten Applikationen an geänderten  Prozesse sind ein großer Pluspunkt von No-Code oder Low-Code.
(Bei Low-Code Entwicklungswerkzeugen werden visuelle Designer mit „klassischem“ Programmcode verbunden, so dass bei dieser Kategorie auch Programmiersprachen bei der Umsetzung verwendet werden, aber im erheblich geringerem Umfang als bei „normalen“ Developmenttools)

Nachteile von "NO-Code" / "Low-Code"

Natürlich gibt es beim Einsatz von No-Code/Low-Code Werkzeugen für die Softwareerstellung auch Nachteile, insbesondere bei No-Code Plattformen besteht häufiger das Problem, dass diese nicht flexibel genug den notwendigen Code für die Umsetzung einer gewünschten Applikation generieren können.

Low-Code Entwicklungswerkzeuge sind da erheblich leistungsfähiger, da diese – falls die Umsetzung mittels grafischer Editoren nicht ausreicht – die gewünschten Funktionalitäten mittels textlichen Programmcodes hinzugefügt werden können und dadurch eine erhebliche Erweiterung des Anwendungsbereichs derartiger Developmentplattformen eröffnet wird.

Bei dem Anwendungsszenario vom BRYTER oder anderen No-Code Applikationen im Rechtsmarkt spielt die „Gefahr“ von mangelnden Flexibilität eine eher untergeordnete Rolle, da zum einen Prozesse im juristischen Umfeld häufig gut visuell darstellbar sind – man erinnere sich nur an die grafischen Prüfungsschema während des Studiums- zum anderen verfügen diese Lösungen über eine ständig wachsende Anzahl von sogenannten „Connectors“ und „Extensions“, über welche speziell benötigte Funktionalitäten (zum Beispiel die Versendung einer E-Mail im Rahmen eines Prozesses) als „Workflow-Baustein“ bei der Modellierung des Programmablaufs eingefügt werden kann.

Warum ist Bryter in der Kategorie "No-Code" gerade so "in"?

Daneben sind es noch zwei weitere Aspekte, welche meines Erachtens  ebenfalls von großer Bedeutung für den Erfolg von Bryter sind. 
Zum einen ist die grafische Oberfläche mE  intuitiv und ansprechend umgesetzt, sodass  auch für Erstanwender die Hemmschwelle für die Benutzung des  Programms sehr niedrig ist. 
Zum anderen ist es für die Lizenznehmer der  Applikation möglich, entsprechende „BRYTER Programme“ nicht nur für den internen Gebrauch zu entwickeln, sondern diese Programme auch nach extern  – an die Mandanten einer Kanzlei – zu lizenzieren. Den Kanzleien können sich dadurch neue Geschäftsfelder und Einnahmemöglichkeiten erschließen. Eine solche monetäre Perspektive haben bislang in diesem Applikationssegment keine anderen Anbieter so konsequent umgesetzt wie BRYTER.

„No-Code/Low-Code" = one fit it all?

Sind nun Vertreter der „No-Code/Low-Code“-Entwicklungsumgebungen  bezüglich der Erstellung von LegalTech Applikationen sowohl für den internen  Gebrauch als auch für die externe Weiterlizenzierung deshalb tatsächlich das „Schweitzer Taschenmesser“, d.h. ein abolutes Muss für jedes individuelle Legal Tech Softwareprojekt bei Kanzleien und Rechtsabteilungen?
 
Ich denke, wie so oft im juristischen Umfeld, heißt die Antwort hierauf „es kommt  drauf an„.
 
BRYTER oder die anderen oben genannten Entwicklungswerkzeuge vereinfachen unbestritten in vielen Bereichen die Umsetzung optisch ansprechender und  leicht modifizierbarer Programme, wenn die zugrunde liegende Businesslogik hauptsächlich  stark regelbasiert aufgebaut ist. 
Soll daher  zum Beispiel die Mandanten eine  Softwarelösung angeboten werden, die auf einem relativ starren rechtlichem  Prüfungskonzept fußt, so ist die Erstellung einer solchen Applikation mittels  Bryter oder anderer  No-Code/Low-Code Plattformen auf jeden Fall eine gute Entscheidung, da hierdurch sowohl die Zeit für die Umsetzung als auch die Kosten  einer entsprechenden Implementierung im wirtschaftlich vernünftigen Rahmen  gehalten werden können. 
Bei Projekten, in welchen die angedachte Applikation  auf Mandantenseite jedoch in dessen IT-Infrastruktur „vollständig eingebettet“  und neben rechtlichen Aspekten auch Funktionen enthalten soll, die Prozesse  des Geschäftsbetriebs des Mandanten umfassen, so wird wahrscheinlich der Funktionsumfang  einer No-Code oder auch einer Low-Code Plattform  an ihre Grenzen  stoßen, sodass in solchen Fällen eher eine Umsetzung mit  klassischen Entwicklungswerkzeugen unter Verwendung von  Programmiersprachen präferiert werden sollte.
Schließlich könnten auch die Kosten für die Lizenzierung der genannten Plattformen bei manchen Projekten einer Nutzung entgegenstehen.
Ich bin sehr gespannt, wie BRYTER und auch die anderen Anbieter von No-Code/Low-Code Applikationen bei Kanzleien und  Rechtsabteilungen Verwendung finden werden und welche Lösungen, vor allem für Mandanten, durch diese Entwicklungswerkzeuge zukünftig  entstehen.
 
Auch wenn neben „BRYTER & Co Apps“ weiterhin Entwicklungen mittels Programmiersprachen  bei der Umsetzung von „eigenen“ LegalTech-Anwendungen notwendig sein werden, so sind die „No-Code/Low-Code“ Tools doch ein sehr gutes Werkzeug und auf jeden Fall wert, genauer betrachtet  zu werden.

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